„Eigentlich haben wir kein Benzin…“
Im 10 Minuten Schlaf-/Wachrythmus haben wir die Nacht in unserer neuen Bleibe verbracht. 6.30 Uhr sitzen wir schon wieder alle 4 auf dem kleinen Terassenstück und gehen online.
Unser Fahrer von Haiti Awake ist auch schon voller Tatendrang und hat uns Bilder mit der aktuellen Straßenlage gesendet. „Wie ihr seht, ist es auch heute wieder nicht möglich ins Hotel, geschweige denn ins Heim zu kommen.“
Wir konnten zwar mit einem Stück Seife duschen, aber frische Wäsche hätten wir beide nötig. Bei 38 Grad im Schatten ne kleine Püppi und 40 weitere Kinder zu animieren ist schon ganz schön schwitzelig. Ein nasses Shirt tragen ist hier also was ganz normales.
Wenn wir also nicht raus können, was wird denn dann mit dem Interview des Jugendamtes (IBESR)?
Die Heimleiterin hier ist um die 70 Jahre und hat gefühlt mindestens genauso viele Jahre Erfahrung in Sachen Adoption und den darin verwickelten Behörden. Sie schnappte sich also ihr in einer goldenen Glitzerhülle verpacktes Handy und telefonierte… während wir am Frühstückstisch saßen und mir bewusst wurde, dass ich Püppi wohl, wenn überhaupt, nach heute eine lange Zeit nicht sehen und schnuppern kann.
Über unsere Repräsentantin ließ man uns ausrichten, dass wir mit den Kindern in das Büro des Jugendamtes kommen sollen, da es draußen für den Beamten zu gefährlich sei. Ist das zu fassen – zwei Familien mit drei Kindern sollen sich der Gefahr stellen, damit ein Beamter nicht aus seinem Büro raus müsste?
Wir protestierten also von allen Seiten, und nach einem ewigen Hin und Her willigte man schließlich ein, dass unsere Interviews in unserer neuen Unterkunft stattfinden sollten. Voraussetzung sei allerdings, dass man den Mitarbeiter des Jugendamtes abholen könne, denn es gäbe kein Fahrzeug mehr, welches noch Benzin habe.
So brachte man Néhémie hier her und ein Fahrer von Gladys holte unsere Sachen aus dem Hotel, so dass wir weder dorthin, noch in Néhémie‘s Kinderheim zurückkehren müssten. Zu gefährlich sei es, als Weißer draußen unterwegs zu sein.
Gladys nahm mich kurz vor 10 Uhr mit in Ihr Büro, wo auf dem Schoß einer Nanny unseres Heimes mein entzückend aussehender Süßfratz saß. Weiß, hellblaues „Hochzeitskleid“ und bräunliche Leder-Riemen-Schühchen.
Der Vertreter vom IBESR wurde also pünktlich um 10 Uhr im Heim absetzt, wo wir schon in unserer WLAN -Ecke gespannt dem Gespräch entgegenfieberten.