Rückblick Nadine
„Die Ämter mögen das nicht“
Heute ist der 26.04.2020, wir sind gut in Berlin angekommen und haben uns die letzten beiden Tage eingerichtet und organisiert. Da wir die Möglichkeit der Abholung unserer Kinder mit einem privaten Charter und das weitere Miteinander unter den Adoptiveltern nicht „gefährden“ wollten veröffentlichen wir die folgenden Zeilen erst heute.
Nach vielen Wochen mit Kopfstress konnten wir uns heute mal wieder ein gewohntes Sonntagsfrühstück zubereiten. Abschalten mit einer zuckersüßen Mango und einer Doku über kriminelle Clans in Deutschland.
Wie ein Clan, KEIN KRIMINELLER NATÜRLICH, so kamen wir uns irgendwie in den letzten Wochen – man kann ja schon Monate sagen – vor. Wir haben zusammengehalten, Pläne geschmiedet und diese gemeinsam umgesetzt.
Wir haben nur ein gemeinsames Ziel: Unsere Kinder nach Hause holen.
Mein Standpunkt ist dabei auch immer gewesen, eine finanziell vertretbare Möglichkeit zu finden. So haben wir den zuletzt angebotenen Linienflug der Airfrance auch in Betracht gezogen, während schon die Organisation des privaten Charter lief. Unseren Aufruf habt ihr bei facebook verfolgt und uns tatkräftig mit Teilen und Suchen von Flugbegleitern für unsere Tochter unterstützt.
Das fand nicht bei allen Beteiligten positiven Anklang. So wurde ich mit Aussagen wie „Die kann echt Schaden anrichten“, „Die Ämter mögen das nicht“, „Sowas bringt uns ins Grab“, „Sie gefährden euch sehr“ und „Leute, haltet euch bitte zurück!“ ermahnt. Einige Aussagen wurden mir gegenüber, persönlich in einer Art und Weise, wie ich sie nur aus dem Trash-TV kenne, vorgetragen. In meinen Augen in ganz falschem, schon nicht mehr einfach nur lautem Ton wurde ich in eine Art Schockstarre versetzt, wo ich bis heute verweile. Ich denke täglich über diese Szenen nach. Auch, nachdem man später von Vereinsseiten her das GO für einen facebook-Aufruf gegeben hatte, kam leider keinerlei Reaktion mehr mir gegenüber von diesem damals emotional völlig außer Kontrolle geratenen Elternteil.
Da stand eine Möglichkeit im Raum, die Kinder für deutlich weniger Geld abzuholen. Diese Möglichkeit wurde uns jedoch genommen, mit der Begründung, dass die andere Möglichkeit (der private Charter), die jeden von uns über 20.000 Euro kosten sollte, gefährdet wird mit den Worten „sonst findet diese nicht statt.“. Eine Aussage, die ich bis heute nicht verstanden habe.
Da wir gerade aufgrund von Corona quasi einkommenslos sind und gerade einmal rund 1.000 Euro Kurzarbeitergeld bekommen, wollte ich alle Varianten für uns durchgehen und versuchen, die beste zu finden. Ob meine wirtschaftlich vernünftigere Variante ein Schaden für den privaten Charter gewesen wäre, bezweifle ich ganz stark. Zumal beide Varianten nicht voneinander abhängig waren. Nachdem für uns, Philip und mich, die Variante der Abholung unserer Kinder entschieden wurde, haben wir unsere finanzielle und damit natürlich auch private Lebenslange bei facebook veröffentlicht. Auch dies fand in unserer Elternrunde nicht bei allen einen positiven Anklang.
Wir Eltern waren uns eigentlich einig gewesen, dass wir auch über facebook unser Anliegen teilen sollten, um eine möglichst große Reichweite zu erreichen. Wir haben dies mit unserem Vereinsvorstand abgesprochen, welcher uns das OK für eine private Spendenaktion gab. Diese schriftliche Zusage war einigen Eltern dennoch nicht ausreichend und nicht von ihrem Verein (der den privaten Charter organisiert) ausgesprochen, sodass wir wieder einige Tage verloren hatten, bis in einer weiteren Telefonkonferenz mit beiden Vereinen, das GO auch vom anderen Verein deutlich ausgesprochen wurde. Ein weiteres, für uns emotional auf einem Tiefpunkt verbrachtes, Wochenende ging vorbei.
Am Dienstag darauf wurde uns also ein privater Spendenaufruf auf facebook genehmigt. Einmal mehr wurde mir hier klar, dass wir in einem Adoptionsverfahren nur reagieren, und erst wenn das Kind bei uns zu Hause und an unserer Hand läuft, agieren und vor allem selbst entscheiden können. Auch zeigt mir das Durchlebte, wie unterschiedlich Adoptiveltern handeln, wenn es um die Sicherheit ihrer Kinder geht. Philip und ich sind da eher so, dass wir uns mehr auf uns selber verlassen und gemeinsam mit vielen möglichen Helfern zusammen das Problem lösen wollen. Andere lassen gern für sich lösen und wieder andere handeln, wie man es ihnen vorschreibt.
Jetzt kennt Ihr auch den Grund, wieso wir nach 5 Wochen von Kleinwallstadt nach Berlin gereist sind. Es war uns mit unseren Gastgebern nicht mehr möglich gemeinsam an einem Strang zu ziehen und die Wartezeit zu überstehen.
Wir erlebten aber noch eine weitere, ziemlich skurrile Aussagen und Situationen mit anderen Eltern in unserer Gruppe …
„… ihr müsst ja nur für ein Kind bezahlen …“, „… ich finanziere mit meinem Betrag keine anderen Kinder …“, „… schließlich konntet Ihr euren Eigenanteil erhöhen bei gleichzeitiger Reduzierung vom moneypoolbetrag“ …
Zu diesen Aussagen uns gegenüber nahmen wir gern Stellung. Drei Elternpaare hatten bei Paypal einen Moneypool angelegt, für Spender, die keine Spendenquittung brauchen, anonym bleiben oder uns auch gern mit einem Euro unterstützen wollen.
Zu unserem Moneypool-Betrag hatten wir Spenden von unserer Familie hinzugezählt und somit in den Gemeinschaftspott gelegt. Nachdem aber von einer Familie mehrfach die Aussage „… ich finanziere mit meinem Betrag keine anderen Kinder …“ fiel, hat nicht nur unsere Familie Bedenken geäußert, ob wir wirklich davon überzeugt sind, dass es die anderen Familien wirklich „wert seien“, für alle in einem Pott zu sammeln. So haben auch wir schließlich Gelder unserer engsten Familienangehörigen zu unserem persönlichen Eigenanteil hinzugezählt und sind somit auf denselben Eigenanteil pro Kind wie die anderen Familien gekommen.
Es ist den anderen drei Familien und deren Spendern schon sehr undankbar gegenüber. Da haben sie so unglaubliche Summen auf das Spendenkonto und deren Moneypools eingezahlt und werden von diesem Elternpaar „angezählt“, weil wir weiteren Kindern die Möglichkeit geben wollen, auch mit etwas weniger finanziellem Aufwand der Eltern nach Hause zu kommen.