„Ja, wir adoptieren. Ja, aus dem Ausland, weil …. . Ja, weil …“
2014 haben wir uns in Deutschland 4 von damals nur 7 zugelassenen Adoptionsvermittlungen angeschaut. Dabei haben wir ganz unterschiedliche Erfahrungen und Einblicke bekommen.
Wir waren in einem „Wohnbüro“, wo die Wände mit vielen Adoptivkindern dekoriert waren, es sehr stark nach Rauch roch und uns eine Mitarbeiterin in Jogginghose und Gummischuhen empfing. Diesen Verein finde ich heute gar nicht mehr in der öffentlichen Liste vom Bundesjustizamt.
Wir standen vor einem pompösen Anwesen und waren dort bei einem Informationstermin, der wie eine Werbeveranstaltung „aufgezogen“ war. Die Veranstalter haben ihr Wohnhaus direkt neben ihrem Bürohäuschen, in einem schicken Wohngebiet. Ein großes Büffet war hergerichtet und jeder Besucher wurde mit Schreibutensilien, Blöcken und Broschüren ausgestattet, als gäbe es etwas zu kaufen. Es wurde uns gesagt, dass es im Herkunftsland viele Ansprechpartner für uns geben wird. So ist z.B. der Onkel Taxifahrer, die Mutter die Heimleitung, die Nichte Übersetzerin … Und alles wäre nur mit diesen Begleitpersonen möglich.
Am Ende mussten wir uns zwischen einem sehr kompetent wirkendem und einem familiär wirkendem Verein entscheiden.
Da wir uns für eine stärker pigmentiertes Kind entschieden haben und wir von Adoptivmamas und Adoptivpapas durch dieses Verfahren begleitet werden wollten, fiel die Wahl auf letzteren.
Der erste Kontakt mit unserem Adoptionsverein war zu Hause bei einer Familie, die bereits 2 Kinder aus Thailand adoptiert hat. In kleiner Runde wurde uns zu jedem möglichen Adoptionsland die Voraussetzungen erklärt.
So müssen z.B. die Adoptiveltern für Haiti seit mindestens 5 Jahren verheiratet sein, oder seit 5 Jahren in einem gemeinsamen Haushalt leben. Verheiratet waren wir damals seit 2 Jahren und einen gemeinsamen Haushalt hatten wir seit guten 4 Jahren. Wie man uns später mitteilte, waren wir die ersten Adoptiveltern, die diese neue Regel (seit April 2014 in Kraft) vorgesetzt bekamen.
Der zweite Termin mit unserem Adoptionsverein war dann am Bodensee. Wir wurden zu einer Familie mit 2 Adoptivkindern aus Haiti eingeladen. Wir haben zusammen Pizza gegessen und haben uns intensiv über Haiti, über die Erfahrungen im Adoptionsverfahren und den gemeinsamen Jahren danach (sowohl von Mama und Papa, als auch die Erfahrungen der Kids selber) und über die langen Wartezeiten unterhalten.
Der dritte Termin fand dann in den Räumen der Sozialarbeiterinnen in Berlin statt. Diese managen den ganzen Papierkram rund um die Adoption, die Kommunikation mit den Herkunftsländern, sind Ansprechpartner mit den im Verfahren involvierten Behörden, Ärzten und Übersetzern und organisieren den Verein selber.
Zu Hause mussten wir uns einmal mehr mit der Erziehung eines Kindes beschäftigen. Rund 20 Fragen wie:
Mit welchen Veränderungen Ihrer Lebensgewohnheiten rechnen Sie bei der Aufnahme eines Kindes? Rechnen Sie mit Ausländerfeindlichkeit? Wenn ja, wie werden Sie damit umgehen? Das Meistern einer körperlichen oder psychischen Behinderung des Kindes …. Was trauen Sie sich da zu? Wenn Sie sterben, sich scheiden ließen oder sehr krank würden, wer würde sich um das Kind kümmern? Nach welchen christlichen Werten wollen Sie Ihr Kind erziehen? Was wenn das Kind eines Tages sagt „Ihr seid nicht meine richtigen Eltern!“? Sind sie bereit, die Integration Ihres Kindes zu fördern? An welches Herkunftsland oder welchen Kontinent haben Sie gedacht?……
…mussten schriftlich beantwortet werden.
Hier unsere Antwort auf die letzte Frage, WARUM HAITI?
„Haiti, weil es ein sehr armes Land ist, viele Kinder keine Zukunft haben und weil es aktuell eine kurze Wartezeit (1.5 Jahre) hat.
Wichtig ist für uns, dass wir uns mit dem Herkunftsland identifizieren können, da es zur Geschichte unseres Kindes gehören wird. Die Hautfarbe hat keinen hohen Stellenwert für uns, dennoch finden wir stärker pigmentierte Kinder sehr hübsch und niedlich.“
Das Jugendamt muss einen sogenannten Sozialbericht schreiben. Dieser enthält Infos zu unseren Lebensumständen und die Meinung des Jugendamtes, ob wir fähig sind, ein Kind zu adoptieren. Wir hatten in 2012 schon 3 Termine im Abstand von 3 Monaten beim Jugendamt für die Inlandsadoption. Ein Termin fand in unserem Zuhause statt, da man schauen wollte, ob für das Kind alle wohnlichen Voraussetzungen gegeben sind. So haben wir also seit 2012 bereits ein mit den Basics eingerichtetes Kinderzimmer. !!2012!!
Für die Auslandsadoption war nun ein weiterer Termin notwendig, der uns aufklären sollte, was bei der Aufnahme eines Kindes aus dem Ausland anders ist.
Das skurile an diesem Bericht ist: Wir haben diesen also schon für das Inlandsverfahren erstellen lassen müssen. Damals mussten wir keinen Cent für diesen bezahlen. Nun bekam das Jugendamt von uns schlappe 1.200 Euro, für das Ausdrucken dieses schon bestehenden Berichtes. Hierzu macht sich jetzt jeder seine eigenen Gedanken ….
Nach dem Besuch des Psychologen (hatte ich oben ja schon beschrieben) bei uns zu Hause und dem von ihm erstellten Gutachten, der Erstellung des Sozialberichtes und der Beantwortung obiger Fragebögen warteten wir nun mehr als 8 Wochen auf den „Endentscheid“ und die Beantwortung unserer Frage: Sind wir geeignet?
Im Dezember 2014 wurden wir für das Auslandsverfahren akzeptiert und mussten zum Abschlussgespräch wieder nach Berlin.
Mit allen nötigen Informationen und einer fetten, fetten Erkältung ausgestattet sollten wir nun am Bodensee die sogenannte Länderakte für Haiti zusammenstellen.
Diese enthält Dokumente, die Haiti als Adoptionsland von uns haben möchte. Hier beantwortet sich auch die Frage, die wir heute von vielen bekommen „Wollt ihr es nicht in einem anderen Land versuchen? Evtl. ist die Wartezeit dort kürzer.“ NICHT SO EINFACH WIE ES SICH AUSSPRICHT, da wir eben eine neue Länderakte, mit aktuellen Dokumenten und Beglaubigungen und Überbeglaubigungen zusammenstellen müssten. Mittlerweile sind wir auch älter und nicht alle Länder akzeptieren Eltern in diesem Alter.
In die Länderakte von Haiti gehören also z.B. Führungszeugnisse, ärztliche Attests, Leumundszeugnisse von unseren Freunden oder Familienangehörigen (Kurz gesagt schreiben diese einen Bericht, ob sie der Meinung sind, dass wir der Aufgabe „Kindererziehung“ gewachsen sind, oder nicht.), Verdienstbescheinigungen, Steuerbescheide, Bilder von uns, unserer Familie, unseren Freunden, unserem Heim, dem zukünftigen Kinderzimmer und vieles, vieles mehr.
Wie ihr Euch vorstellen könnt, nimmt das alles unheimlich viel Zeit in Anspruch. Der Alltag läuft ja weiter und nebenbei muss man mit vielen Behörden kommunizieren. Dass das nicht immer einfach ist zeigte sich uns des öfteren. Auf all diesen Postwegen gehen dann schon mal einige Zertifikate verloren, oder der Behördenmitarbeiter möchte den vorgegebenen Text nicht 1:1 übernehmen … er meint es ja nur gut und ändert beliebig ab … was aber so überhaupt nicht gefordert ist … 2 Wochen hin und her, hat er den geforderten Text dann in 2 Minuten korrekt abgetippt und abgestempelt …
Nun müssen die ganzen Unterlagen noch beglaubigt und noch einmal überbeglaubigt werden. Hat mal also alle Zertifikate zusammen, werden diese von einem Notar beglaubigt und danach wird alles an das Regierungspräsidium in Freiburg gesendet und von denen noch einem überbeglaubigt.
Nun endlich hatten wir unsere fast 5 cm dicke Akte fertig in der Hand.
Wir haben uns rund 20 Parteien (ausgenommen Freunde, Familie, Bekannte, Kollegen … ) immer und immer wieder erklären müssen „… Ja, wir adoptieren. Ja, aus dem Ausland, weil …. . Ja, weil es auf dem natürlichen und künstlichen Weg nicht funktioniert hat ….“
Diese Akte mag man eigentlich gar nicht aus den Händen geben. So wertvoll und wichtig wie sie für uns geworden ist.
Wir haben sie nun von einer Übersetzerin ins französische übersetzen lassen und dann wurde sie im Mai 2015 von Berlin aus nach Port-au-Prince geschickt.
Wir haben das Ganze in ca. 4 Monaten geschafft. Was fast Rekordzeit war, sagten uns die Sozialarbeiterinnen.
Achso, natürlich, hat auch dies alles seinen Preis. Auch hier haben wir unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Wenn es nicht aus dem geforderten Dokument hervor ging, wurden wir zu 95% gefragt wofür denn dieses Dokument sei. So kam es auch ganze 2x vor, dass man so begeistert von unserem Vorhaben ist, dass die Kosten zwischen 20,00 Euro bis hin zu stolzen 110,43 Euro pro Beglaubigung erlassen wurden.
Unser Kontostand bis hierhin: -11.690,64 Euro
Laut den uns aktuell vorliegenden Infos wird dieser Betrag bis zur Ankunft des Kindes noch einmal deutlich verdoppelt.
(kleingedrucktes: Jeden einzelnen Cent können und werden wir belegen können und nachweisen.)
Nun beginnt die Wartezeit auf einen Kindervorschlag und die Frage „Ja, was macht denn eigentlich Eure Adoption?“ wird uns noch öfter gestellt. Jeden Tag von Dritten, jede Stunde von einem selber.
Ich wache morgens auf und der erste Gedanke ist „Ruft sie heute an?“.
Ich lege mich Abends ins Bett und denke „Wieder ein Tag ohne diesen ersehnten Anruf …“